Freitag, 24. August 2012

WENN DER FESTPLATZ VOM PLATZFEST AUS ALLEN NÄHTEN PLATZT

Die Quartierfeste in Zürich werden von Besuchern überrannt, schreibt der Tagesanzeiger* und sucht nach Erklärungen. Denn so schön es für einen Festveranstalter eigentlich sein müsste, wenn viele Gäste kommen, so unerwünscht können diese sein, wenn das Fest eigentlich klein und herzig hätte bleiben sollen. Aber statt dem Nachbar hockt heute auf dem Holzbänkli ein Hipster. Und der trinkt Dosenbier aus dem Coop, anstatt sich ein Gezapftes am Stand zu kaufen. Da läuft was schief.

Kleinere Anlässe gewinnen an Bedeutung, erklärt der Tagi und weil Quartierfeste nun mal in der Öffentlichkeit stattfinden, werden sie schnell grösser, als sie klein sein wollten. Oder so ähnlich. Dies die These der Zeitung. Bloss, warum gewinnen denn kleinere Anlässe an Bedeutung? (Dass sie bei zu vielen Besuchern aus allen Nähten platzen, haben wir ja begriffen)

Mich erinnert das Wort "Quartierfest" an meine Kindheit und die Überbauung im ländlichen St.Gallen, wo ich aufgewachsen bin. An meine erste und einzige Medaille für sportliche Leistung (ich war Zweite geworden im "um-das-Quartier-Rennen", aber auch nur, weil die Silber-Anwärterin kurz vor dem Ziel kollabierte und weinend im Sandkasten liegen blieb), an die Mini-Playback-Show, wo mein kleiner Bruder und ich "2 Unlimited" mimten und ich das erste mal feststellen musste, dass er besser tanzen kann als ich, an besoffene Väter, die zu dritt in den Busch fielen beim Pinklen und an die noch besoffenere Tochter des Hausabwartes, die sich auf den Holzpflock setzte, der einige Stunden zuvor zum "Wettkampf-Hämmern" diente, und schrie "Wär will mi nagle?!" Ja, das waren noch Zeiten! Dessertbuffets gab es, OLMA-Bratwürste und viel Bier. Wir durften aufbleiben bis tief in die Nacht und weil die Eltern schon nicht mehr zählen konnten, wie viele Becher sie gebechert hatten, schauten sie auch auf uns nicht mehr so genau. Quartierfest war Spass für alle. Urchiger Spass für alle.

Und das mag auch der Grund für die Beliebtheitszunahme von Quartierfesten in Zürich sein. Wenn young urban people wieder in weiss heiraten und mehr als zwei Kinder kriegen, dann ist auch die Festbank nicht mehr weit. Und nicht jeder der sich diese zurücksehnt, will deshalb zwingend ins Dörfli - auch wenn der Name doch so schön passen würde - oder ans Langstrassenfest - welches dieses Jahr ja ohnehin nicht stattfinden wird. Massenveranstaltungen, Touri-Parties und Jahrmarktstimmung sind nicht, was die Grafikerin und der Velokurier suchen, sondern gemütliches Beisammensein bei guter Musik. Dumm ist nur, wenn die Festbankverehrer alle zum gleichen Platzfest tingeln, denn die Gemütlichkeit soll ja vor allem denen gegönnt sein, die auch nahe dem jeweiligen Festplatz wohnen. Was machen?

Ich wage zu bezweifeln, dass wenig Werbung den gewünschten Effekt bringen wird, denn alles was underground ist (nicht wörtlich, aber übertragen), lockt trendige Städter ja nur noch mehr an (wobei es allenfalls die Aargauer fern halten würde, die kein ganz so dichtgespanntes Sms-Weitersag-Netz in Züri haben). Unbekannte Bands einladen ist auch heikel, denn Hipster rühmen sich gerne mit einem ausgefallenen Musikgeschmack und sogar Ländler werden wieder in. Was man vielleicht machen könnte, wäre das ganze in "Block Party" umzutaufen, dann kämen zwar noch mehr Coole, dafür würden alle anderen wegbleiben. Oder den Anlass offiziell für nächstes Jahr absagen und dann doch durchführen (ich sag jetzt nicht, wer das dieses Jahr so macht, sonst bin ich noch schuld wenn gewisse Szenebars am 31. August noch überlaufener sind als sonst). Deshalb ein letzter und diesmal ernstgemeinter Tipp:

Wer gerne wiedermal gemütlich ein Bier auf einer Festbank zu sich nehmen würde, noch dazu an einem schönen Ort mit netten Leuten, der soll doch sein eigenes Quartierfest veranstalten, da wo er oder sie wohnt zum Beispiel (ähä, das macht Sinn). Im Tiergarten oder am Berninaplatz, an der Nordstrasse oder im Triemli. Einfach mal den Grill aufstellen und ein paar feine Biere bringen. Et Voilà. Ach, die Polizei ist das Problem? Lärmklagen, Bussen, Abfallbeseitigung? Lasst euch doch von sowas nicht einschüchtern! Dürfen sich denn heute nur noch Teenager unangemeldet zusammenrotten? Seid ihr zu faul für ein bisschen "fätzle" nach dem Anlass? Oder mögt ihr am Ende eure Nachbarn nicht? Glaubt mir, nach zehn Bieren sind auch die ganz okay und falls sie nicht kommen, weil sie es nicht ertragen können, dass es einmal im Jahr in ihrer Strasse laut ist, dann sollen sie doch in mein altes Dorf ziehen, denn dort wurde das Quartierfest vor ein paar Jahren wegen Mangel an Interesse abgeschafft.

*http://www.tagesanzeiger.ch/zuerich/stadt/Die-Quartierfeste-werden-ueberrannt-/story/13722378

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