Montag, 25. Januar 2010

Warten

Irgendwie warten wir alle doch immer auf Irgendetwas. Die Beförderung, die Ferien, den Abschluss, die grosse Liebe, den Feierabend, das Wochenende, den grossen Durchbruch, die zündende Idee, das erste Mal, das nächste Mal, den Tod.

Ich habe mal in einem Altersheim gearbeitet. Dort war Warten allgegenwärtig. Manche Pensionäre – einige von ihnen hatten sicher ihr Leben lang auf diese Pension gewartet – sassen von morgens bis abends vor dem Fenster und schienen zu warten. Auf den Tod. Oder bloss auf Besuch. Oder Abwechslung.

Eine Frau auf der Demenzabteilung – ich dachte, sie bekommt von ihrer Umgebung nichts mehr mit – sagte eines Tages plötzlich: „Ein Kätzchen!“ und zeigte aus dem Fenster. Und tatsächlich, da lief eine kleine Katze unten vor dem Haus vorbei. Ich hätte sie ohne Brille nicht gesehen.

Die Frau sass jeden Tag dort. Niemand hatte je viel Zeit für sie übrig - Der Personalmangel in der Pflege ist dramatisch. Man hatte mir gesagt, sie bekomme nicht mehr viel mit. Als ob man sich dann weniger Mühe geben müsste. Aber sie hatte das Kätzchen gesehen, draussen auf der Strasse. Sie sah es, hatte es wahrgenommen, ihr Geist konnte das verarbeiten, sie fand das richtige Wort. Am liebsten hätte ich ihr eine Million Kätzchen geschenkt.

(Dezember 2009)

1 Kommentar:

  1. bin berührt von deinen worten und staune über deine fähigkeit manchmal fast unmögliches auszudrücken! danke, mach weiter so :-)

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