Montag, 25. Januar 2010

Nachts 02:30 Uhr vor dem Fernseher

So fängt das mit dem Alkoholikerdasein wahrscheinlich an, überlege ich mir. Man sitzt alleine in der Wohnung, keine Beschäftigung, Freunde weg, Musik melancholisch. Eigentlich ganz gemütlich, aber bald werden die Stimmen in deinem Kopf laut: Warum du dich langweilst, wieso kein Mann neben dir sitzt, was dir das Fernsehprogramm überhaupt zu bieten hat zu später Stunde. Da wirkt das kalte Bier aus dem Kühlschrank wie ein Versprechen. Ein Versprechen, dich diese Trägheit besser ertragen zu lassen. Mit einem Katerschädel ist der nächste Tag dann sowiso im Eimer. Du musst nicht mal Ausreden erfinden, wieso du den Müll schon wieder nicht raus gebracht hast und die Rechnungen sich unbezahlt stapeln. Ausserdem verschwindet das letzte Restchen Scham und man kann sich hemmungslos schmutzigen Bettfantasien hingeben.

Eigentlich ist so ein Alkoholikerleben also was ganz Feines.

Aber da mir jetzt schon schlecht ist von dem Durcheinander das ich gegessen habe, verwerfe ich den Gedanken wieder. Ich bin ja auch recht zufrieden, nur das Fernsehprogramm macht mich zusehends depressiver: Um zwei Uhr nachts kannst du dich gerade noch zwischen den Brüsten von Ilonka aus Warschau und denen von Bianca aus Petrograd entscheiden. Ansonsten läuft der Dauerbrenner „Geld-Verlieren-Leicht-gemacht“ mit den wohl schlechtesten Moderatoren jenseits des Quotentiefs. Seit Stunden wird mir weisgemacht, dass kein einziger Einwohner Deutschlands, Österreichs und der Schweiz zusammen die Grundregeln der Mathematik versteht, geschweigedenn ein Telephon bedienen kann.

Ich bin versucht mein Glück herauszufordern. Das Losungswort auf Sat1 lautet: „Mistgabel“. Fünf Minuten lang habe ich mir überlegt, ob man „Stimmgabel“ mit nur einem M schreiben kann. Vielleicht bin ich bald zu blöd das Telephon zu bedienen, bange ich. Auch diese Gelegenheit lasse ich mir entgehen.

Zu träge zur Alkoholikerin und zu dumm fürs Fernsehquiz, somit wohl auch für den Suizid zu ungeschickt. Noch mal Glück gehabt. Gäbe es Pornos für Frauen mit Ansprüchen, ich würde sofort zuschlagen.

(März 2005)

2 Kommentare:

  1. Gibt’s nicht mittlerweile Produktionsfirmen, die genau diese Marktlücke ausfindig (und angeblich) behoben haben?

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  2. das hab ich gerade eben auch gelesen. der text ist natürlich auch schon 5 jahre alt :D

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