Freitag, 11. Mai 2012

10 THINGS I LOVE ABOUT NEW YORK - PART 1


Es ist mal wieder Zeit für eine Liste. Ich liebe Listen. Listen machen das Leben leichter. Listen sind lustig. Ich habe mal eine Liste gemacht, mit den 10 hässlichsten Einrichtungsgegenständen. Ganz weit oben waren Büsten von weinenden Clowns und Setzkästen mit Kristallkätzchen und Strickdecken über dem Sofa. Komischerweise fanden sich diese drei Dinge alle in der gleichen Wohnung einer benachbarten Familie aus meiner Kindheit und wahrscheinlich, wenn ich jetzt angestrengt nachdenken würde, könnte ich die ganze Liste mit Dingen aus dieser Wohnung füllen. Sie war wirklich ganz grauenvoll eingerichtet und ich ging nie gerne dahin zum Spielen, wobei das vielleicht eher an den Nachbarn selbst lag... Na egal, heute soll es ja um eine erfreuliche Liste gehen. Nämlich um zehn Dinge, die ich an New York liebe. Aus der nicht ganz so weltmännischen Sicht einer jungen Frau, die in einer Gegend aufgewachsen ist, wo die Leute sich weinende Clown-Büsten an die Wand hängen.

1. DIE SUBWAY. Ich habe letztens hier einen Franzosen getroffen, genauer gesagt einen Pariser, genauer gesagt einen Pariser DJ. Er hatte in einem Club in Brooklyn aufgelegt und wir kamen danach ins Gespräch, denn lustigerweise ist er auch mein Nachbar - aber das ist eine andere Geschichte. Jedenfalls hat er geseufzt, weil kaum zahlendes Publikum gekommen war, seine Gage aber über den Eintritt verrechnet wurde. Das reiche kaum fürs Taxi nach Hause, meinte er. Ich platzte erstaunt heraus: "Nimm doch die Ubahn!" Aber er schaute mich nur herablassend an und meinte, er sei Pariser, die Subway fände er bloss lästig. Da konnte ich ihn bloss bemitleiden, denn: ICH LIEBE DIE SUBWAY! Zugegebenermassen nicht zur rush hour und okay, fragt mich nicht, was ich von ihr halte, wenn ich nachts um vier totmüde 30 Minuten auf sie warten muss, aber hey: Sie kommt! Immer. Die New Yorker Subway fährt die ganze Nacht und tagsüber im Abstand von 5 - 10 Minuten. Überallhin. Und manche der Wagen sind noch richtig schön altmodisch. Zum Beispiel die Linie R. Die Sitze sind orange und dunkelgelb, die Wände braun und wenn der Wagen voll ist und man nicht genau weiss, wo man aussteigen muss, hat man keine Chance. Weil, in den 60er-Jahren hatte offenbar niemand daran gedacht auch Fahrpläne im Wagen anzubringen. 
In der Subway gibt es immer dumme Werbungen, komische MusikerInnen (siehe dazu: http://captainezwerg.blogspot.com/2012/03/sombreros-und-snickers-in-der-ubahn.html), Teenager, die einem geklaute Süssigkeiten verkaufen wollen, schlicht: Viel Unterhaltung. Und dann die Lausprecherdurchsagen! "Stand clear of the closing doors please!" Ist euch schon mal aufgefallen, dass diese Warnung wie eine Rodeo-Ansage aus dem tiefsten Süden klingt? Diese Erkenntnis stammt leider nicht von mir, sondern von einem New Yorker Freund und ich finde: Er hat total Recht! 
Und dann noch: All die wunderbaren Filme, die in der New Yorker Ubahn spielen! Allen voran "The Taking Of Pelham 1-2-3" (das Original von 1974 mit Walter Matthau natürlich). Nach dem Genuss dieser Perle der 70er Jahre Kultkriminalfilme fühlt man sich bei jeder Fahrt wie auf einem Filmset! Bloss sind die Wagen heute "leider" nicht mehr voller Graffiti, aber egal. Subway fahren ist kool! Und nicht wenige der Linien sind zum Teil obergründig und man hat den wunderschönsten Blick auf die Skyline von Manhatten und fährt oft ganz intim zwischen Häuserzeilen hindurch. Ein Muss für jede/n Touristen/In!


Blick von Queens auf Manhatten (z.B. Linie N/Q Richtung Astoria Ditmars Blvd)


An Unterhaltendem mangelt es in der Subway nie

2. DER SPRACHEN-AKZENTE-DIALEKTE-WIRRWARR. Als Schweizerin mit einem brav erlernten Schulenglisch, das mal hätte Britisch klingen sollen und dann heimlich in einen ich-habe-zu-viele-Hollywood-Filme-gesehen-Slang abdriftete, ist man ja immer ein bisschen gehemmt, wenn man mit Englisch sprechendem Volk spricht. Also SchweizerInnen sind ja grundsätzlich gehemmt, wenn es um Fremdsprachen geht, und das obwohl gerade wir hier auftrumpfen könnten. (Welcher Schweizer trumpft schon gerne auf ausser Roger Federer und der ist vielen suspekt). Das Schöne an New York ist jedoch: Es kommen eh alle von irgendwo sonst und wenn man nicht ständig erwähnen würde, dass man "not from around here" ist, würde es gar niemand bemerken oder wenn, dann nur im Positiven. Denn niemand ist aus New York (okay, es gibt vielleicht ein, zwei), aber die meisten sind gerade mal vor zwei, drei Jahren hierher gezogen, kommen entweder aus einem anderen Bundesstaat oder aus einem ganz anderen Land. Viele haben einen schwächeren oder stärkeren Akzent, kaum jemand einen New Yorker Dialekt (der ist auch nicht schön :) jeder hat Verwandte und Vorfahren im Ausland und alle sprechen gerne davon und freuen sich zu hören, woher DU bist. Es mag die versnobbten New Yorker geben, die sich T-shirts mit der Aufschrift "Go <3 your own City" kaufen, ich bin ihnen bisher nicht begegnet. Und wenn, dann müsste ich spätestens dann grinsen, wenn sie "coffee" sagen, denn im ortsansässigen Dialekt spricht man 'ckoaffi' mit einem kurzen O-A und das klingt echt herzig.

3. DIE BODEGAS. Jedes Viertel hier hat sie, jeder New Yorker zählt darauf: Die kleinen corner stores, die Läden an der Ecke. Hier kann man sich rund um die Uhr mit dem Nötigsten eindecken: Dosenfutter, Snickers, Tampons, Kondome, Bier... (vielleicht nicht gerade in dieser Reihenfolge). "Bodega" ist Spanisch für "Weinkellerei" und der Name rührt daher, dass viele dieser kleinen Läden, die oft auch in grossen Lettern mit GROCERY oder DELI angeschrieben sind, von Spanisch sprechenden Mitmenschen geführt werden. Bodegas dürfen keine Spirituosen verkaufen; das ist den liquor stores vorbehalten, aber sie dürfen Bier und Wein verkaufen und alles, was der schnelllebige New Yorker sonst begehrt. Da die kleinen Läden oft am längsten offen haben (nicht alle sind 24 h offen, einige haben "nur" ein ständig bedientes Ladenfenster, andere machen unter der Woche um 24 Uhr oder etwas früher zu), treffen sich manche Leute hier einfach, um ein bisschen zu quatschen und Musik zu hören. In meinem corner store - und er ist wirklich an der Ecke - läuft ca. 18 Stunden am Tag Salsa in einer Lautstärke, dass man es noch bei mir im Zimmer hört (aber die Wände sind ja auch aus Papier) und es stehen zu jeder Zeit mindestens drei Puerto Ricaner darin herum und quasseln. Ich mag diese Stimmung und die Sicherheit, dass ich immer irgendwo eine menschliche Seele finde und das, was mein Körper gerade herbeisehnt. Sei es nun eine Dose Apfelmus oder ein Brooklyn Lager.

4. Das bringt mich gleich zu meinem nächsten Punkt auf der Liste der Dinge, die ich an New York liebe: DIE BIERVIELFALT.  "American Beer is like sex in a canoo: fucking close to water" haben Monty Python einmal gesagt und bei jeder Dose Miller Highlife, die mir hier angeboten wird, möchte ich ein Klagelied anstimmen und schluchzend hin und her wiegen, ABER: Das wäre völlig verfehlt, denn auch wenn viele abgebrannte Brooklyner Studenten bloss dieses entsetzliche Gebräu trinken (es ist immer das billigste auf der Karte), ist das noch lange kein Grund zu verzagen: Auch die kleinste Bodega führt mindestens ein bis zwei richtig gute Ales, Porters oder Stouts zu einem nicht viel höheren Preis und ich bin davon überzeugt: Egal, wo in den 5 boroughs man sich gerade befindet, man muss nie mehr als 10 Minuten laufen, um einen Laden mit einer richtig guten Bierauswahl zu finden. Manchmal ist die Vielfalt tatsächlich so gross, dass man 10 Minuten mit offenem Mund vor dem Kühlregal steht und verzweifelt nach einem passenden Auszählreim sucht: über organic pale ale zu Brooklyn Monster Ale oder Chocolate Stout zu summer und winter special brews, die Liste ist länger als mein Gedächtnis breit. Letztens investierte ich 10.- extra Dollar, anstatt bei den Sixpacks Miller Highlife und Budweiser mitzubezahlen, die meine Freunde für eine Hinterhofparty in Brooklyn kauften, und brachte meinen eigenen Pack Brooklyn Brown Ale mit. Meine New Yorker Kollegen grinsten zuerst über dieses europäische Biergehabe, lachten jedoch noch lauter, als mein Sixpack nach nur 30 Sekunden leer war. Jeder der Partygänger wusste schliesslich, was richtig gutes Bier ist.

Ein Ausschnitt aus der nicht besonders grossen Auswahl an Bieren im Key Foods Supermark ca. 10 Min zu Fuss von mir zu Hause

Vinyl Lager für die PlattensammlerInnen unter den Biertrinkern
Ich hätte wissen müssen, dass sich hinter dem Namen "Monster Ale" ein Starkbier verbirgt...


5.  DIE LAUTSTÄRKE. Man kann geteilter Meinung darüber sein, und gerade ich, die einen furchtbar leichten Schlaf hat, müsste diesen Punkt eigentlich auf eine Hass-Liste schreiben, aber ich kann mir nicht helfen: Ich liebe die Lautstärke New Yorks! Die Wände sind so dünn, dass ich gleichzeitig meinen Mitbewohnern und meinen Nachbarn beim Sex zuhören kann (ich bin sozusagen im Sandwich). Irgendwo brennt es immer und darum fährt fast jeden Tag die Feuerwehr am Fenster vorbei, dicht gefolgt von der Polizei und dem Krankenwagen, alle mit lustigen Sirenen, die die Melodie wechseln. Dahinter folgt dann der Eismann mit seinem infamen diiddelddidiiii diddeldiddiii, der - ich schwöre es - immer bloss um meinen Block fährt (er hat mich mal von zu Hause bis zum Wäscheautomat und zurück verfolgt, vielleicht sollte ich ihm mal ein Eis abkaufen). Von dem Gewicht aller dieser Fahrzeuge gehen die Alarmanlagen von mindestens drei Vierteln der am Strassenrand geparkten Autos los. Die Garage gegenüber probiert den subwoofer aus, den sie eben einem der Kunden eingebaut hat. In regelmässigen Abständen fahren Jungs und Mädels in ihren aufgemotzten Karren mit aufgedrehten Lautsprechern vorbei und machen mich mit den neusten R&B-Heulern bekannt. Später am Abend tickt ein Ex-Freund aus und schreit verzweifelt zu seiner Geliebten hoch, die nichts mehr von ihm wissen will. Die restlichen Nachbarn haben es sich auf ihren Verandas gemütlich gemacht und plappern fröhlich bis um fünf am Morgen durch und dann verirrt sich eine Maus in meinem Zimmer und beginnt meine Plastiksäcke zu durchwühlen (Endlich verstehe ich, wieso die Betten hier fast einen Meter hoch sind), während draussen auf der Strasse ein Bettler simultan dazu die Müllsäcke nach Pfandflaschen durchstöbert. 
Das ist in etwa ein normaler (Wochen-)Tag in Bushwick, Brooklyn und nachdem ich mir Ohrstöpsel zugelegt habe (zu meiner Verteidigung: meine Nachbarin und ihre Tochter machen manchmal Schrei-contests und meine Mitbewohner mit ihren unregelmässigen Arbeitszeiten haben wirklich kein Gespühr dafür, dass Akte X um 3 Uhr morgens Schlaf raubend sein kann), geht es ganz gut. Und ich weiss wenigstens: hier leben die Leute! Und auch ich darf so laut sein, wie ich möchte. 
Ich kann mich erinnern, damals als Kind, in dem kleinen Dörfchen am Rande von St.Gallen, wo jeder Pieps zu viel ist, habe ich mich immer an einen Ort geträumt, wo es keine Leute mit weinenden Clowns an den Wänden gibt, die einem von Anstand und Sitte erzählen...

Die nächsten 5 Dinge, die ich an New York liebe, folgen bald! :)


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